In den letzten zehn Jahren hat aufgrund der routinemäßigen Genomanalyse ein enormer Fortschritt im Bereich der Präzisionsmedizin stattgefunden. Nichtsdestotrotz, wurde deutlich, dass genetische Analysen zum Verständnis komplexer Erkrankungen nicht ausreichend sind, sondern ebenso die Translation genetischer Information in Proteine, die Interaktion von Proteinen untereinander und der Metabolismus, bestimmende Faktoren sind. Das Verständnis des Zusammenspiels der Erkrankungs-relevanten zellulären Faktoren wird die Präzisionsmedizin in Zukunft stark voranbringen.
Die Massenspektrometrie (MS) ermöglicht die Analyse einer Reihe von Biomolekülen. Durch diese Technik kann ein tiefer Einblick in die molekulare Zusammensetzung, z.B. des Proteoms, Metaboloms, Glykoms, von Personen unter gesunden sowie erkrankten Bedingungen gewonnen werden. Aus diesem Grund bekam der Aufbau einer MS Plattform Priorität für fünf große Berliner Forschungsinstitute: Charité – Universitätsmedizin Berlin, Max-Delbrück Zentrum für Molekulare Medizin (MDC), Berliner Institut für Gesundheitsforschung (BIH), Humboldt-Universität Berlin und das Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik (MPI). Um gemeinsam eine MS Plattform zu realisieren, haben sich Wissenschaftler:innen, Bioinformatiker:innen, Kliniker:innen und Industriepartner:innen zusammengeschlossen und verfolgen das Ziel die MS in die klinische Routine und Entscheidungsfindung einzubinden. Mit exzellenten Wissenschaftler:innen, vor kurzem etablierten zentralen Einrichtungen für Proteomik (BIH und MDC) und Metabolomik (BIH und MDC), die bereits auf Systemmedizin spezialisiert sind, und die Integration des Instituts für Pathologie sowie Labor Berlin weist Berlin als Standort eine ideale Basis auf, um das angestrebte Ziel zu erreichen.
Das Repertoire der massenspektrometrischen Techniken umfasst:
-Shotgun Proteomik/Phospho-Proteomik
-Quantitative Interaktions-Proteomik
-Ultra-Hochdurchsatz quantitative Proteomik
-Zielgerichtete Proteomik
-GC- und LC-MS-basierte Metabolomik
-Imaging MS
-Imaging Massenzytometrie
Zusätzlich zu technischen Weiterentwicklungen der MS, zielt das MSTARS Konsortium darauf ab zwei Fragestellungen zu beleuchten:
- Welche Biomarker können eine Therapieantwort vorhersagen?
- Welche Mechanismen liegen der Therapieresistenz gegen eine zielgerichtete Therapie zugrunde?
Mit dem ausgewählten Ansatz hat MSTARS von Beginn an translationales Potential und kann die zwei Fragestellungen direkt adressieren. Initial werden MS-Analysen von retrospektivem Probenmaterial aus Patienten mit Kopf und Hals Tumoren (HNSCC) durchgeführt, wobei Marker oder molekulare Signaturen für eine Therapieresistenz identifiziert werden sollen. Typische Charakteristika sind Veränderungen in den EGFR, MAPK, oder PI3K/mTOR Signalwegen, die auf unterschiedlichen Mutationen basieren. Die gezielte Inhibition der EGFR oder PI3K/mTOR Signalgebung ist höchst effizient in einigen Patienten, aber wirkungslos in anderen. Um diese Patientengruppen zu unterscheiden können massenspektrometrische Analysen herangezogen werden, die therapeutische Entscheidungen leiten können. Schlussendlich sollen diagnostische Tests mit hoher klinischer Relevanz entstehen.
Im Konsortium werden zwei komplementäre Ansätze verfolgt, die MS-basierte Technologien in die Klinik bringen sollen. Bei dem mechanistischen Ansatz werden MS Daten gemessen, um ein Verständnis für den Erkrankungsablauf zu gewinnen. Durch die Analyse von klinischen Proben und präklinischen Modellen wird dabei der Einfluss bestimmter Faktoren (z.B. Therapie, Mutationen) auf unterschiedliche omics-Level untersucht. Für die meisten Proben sind bereits genomische und transkriptomische Daten vorhanden, die für die Datenintegration und mechanistische Modellierungen verwendet werden können, sodass ein erweitertes Verständnis für die Ursachen, die zwischen Therapieerfolg und –versagen unterscheiden, gewonnen werden kann. Beim Signatur-basierten Ansatz sollen Therapieantworten durch die Messung großer Probenzahlen aus großen Patientenkohorten vorhergesagt werden. Mithilfe des Machine Learning sollen bei diesem Ansatz diagnostische Charakteristika und Signaturen, die Einflussfaktoren widerspiegeln, von den Datensätzen abgeleitet werden.
Im MSTARS Projekt werden zwei Prinzipien der Therapieresistenz adressiert. Auf der einen Seite die direkte Resistenz, bei der die Adressierung einer Zielstruktur zu keiner Wirkung führt. Auf der anderen Seite die adaptive Resistenz, bei der die Zielstruktur erfolgreich adressiert wird, die Wirkung des Medikaments aber durch Kompensation anderer Signalwege ausgehebelt wird. Proteine und Metabolite sind wichtig für zelluläre Funktionen und deshalb eng mit Therapieerfolg oder –versagen verbunden. Zusammengenommen erwarten wir mithilfe der MS-Analysen Biomarker zweier Arten zu identifizieren: 1) Diagnostische Baseline-Biomarker, die einen Therapieerfolg anzeigen können und dadurch bei der Patientenstratifizierung unterstützen, und 2) Mechanistische Biomarker, die die zwei Arten der Therapieresistenz widerspiegeln und dadurch Therapieoptionen und Medikamentenentwicklung anleiten können.
Die Verfügbarkeit einer großen Anzahl Patienten-abgeleiteter Modelle und gut charakterisierter klinischer Kohorten definierte HNSCC als den zentralen Anwendungsfall, der alle Arbeitsgruppen miteinander verknüpft. Um die Anwendungsmöglichkeiten von MS Analysen in der Klinik zu demonstrieren und eine nachhaltige Pipeline, für Krebserkrankungen als auch andere Erkrankungen, zu schaffen, werden die Krankheitsentitäten im Laufe des Projektes erweitert. Diese werden akute myeloische Leukämie, Ovarialkarzinome, Neuroblastome, Myokarditis, Prostatakarzinome und chronische Lebererkrankungen umfassen.
Das MSTARS Projekt ist in sechs Arbeitspakete mit den Schwerpunkten Proteomik, Metabolomik, Imaging MS, Datenmanagement, -modellierung, -integration und klinische Logistik unterteilt. Zwei Nachwuchswissenschaftler und ihre Teams komplettieren die Projektstruktur.